OPCW-Bericht zu Chemiewaffeneinsätzen in Syrien

OPCW

 

Das Attributionsteam der Organisation for the Prohibition of Chemical Weapons (OPCW) hat einen ersten Ermittlungsbericht zu den mutmaßlichen Einsätzen von Chemiewaffen in Ltamenah, Syrien im März 2017 veröffentlicht. Im Folgenden wird der Bericht in aller Kürze zusammengefasst.

Das Untersuchungskomitee kommt zum Schluss, dass es berechtigte Gründe gibt, dass folgende Angriffe durchgeführt worden sind:

  • Am 24. und 30. März 2017 habe ein Militärflugzeug vom Typ Su-22 der 50. Brigade der 22. Luftwaffendivision der Syrischen Luftwaffe, je eine sarinhaltige M4000-Luftbombe im Süden von Ltamenah abgeworfen. Es seien mindestens 76 Menschen verletzt worden (16 Menschen am 24. März 2017 und 60 Menschen am 30. März 2017). Das hier benutzte Sarin stimme mit dem Sarin der Lagerbestände und der Produktionsverfahren der Arabischen Republik Syrien überein.
  • Am 25. März 2017 habe ein Hubschrauber der Syrischen Luftwaffe einen Zylinder auf das Krankenhaus von Ltamenah abgeworfen; der Zylinder sei durch das Dach des Krankenhauses in das Krankenhaus eingebrochen. Daraufhin soll das Dach gerissen und Chlor freigesetzt worden sein. Mindestens 30 Personen seien verletzt worden.

Weiter heißt es im OPCW-Bericht:

Militärische Operationen solch strategischer Art wie diese drei Angriffe erfolgen nur auf Befehl der höchsten Ebenen der Syrischen Streitkräfte. Das Untersuchungskomitee konnte die Befehlskette jedoch nicht mit genug Sicherheit nachvollziehen. Das Untersuchungskomitee hat auch keine Informationen erhalten oder eingeholt, dass jemals Ermittlungen oder strafrechtliche Verfolgungen durch die syrischen Behörden zu diesen angeblichen Vorfällen stattgefunden hätten.

Die Informationen und Hinweise wurden von der „Faktenfindungsmission“ (FFM), den Mitgliedstaaten und weitere Parteien zur Verfügung gestellt. Zudem wurde die Analyse von Proben, Überprüfung von Laborergebnissen und Analysen von Munitionsrückständen, Berichte und Ratschläge von Experten, Fachleuten und forensischen Instituten sowie andere relevante Materialien und Quellen zur Untersuchung herangezogen.

Zu den Herausforderungen der Untersuchung gehörte das Unvermögen, auf den Ort der Vorfälle sowie auf Personen und Informationen, die sich in Syrien befinden, zuzugreifen. Das Untersuchungskomitee bedauert, dass dieser Zugang nicht gewährt wurde, obwohl das Technische Sekretariat der OPCW mehrere Anfragen an die Behörden der Arabischen Republik Syrien stellte und diese zuvor zugesagt hatten, mit dem Technischen Sekretariat zusammenarbeiten zu wollen und trotz der Verpflichtung durch die UN-Resolution 2118/2013 die syrischen Behörden nicht kooperiert haben.

Bilder der benutzten Waffen und eine Karte mit den Orten befinden sich im Anhang des vollständigen Berichts.

Hier geht es zum vollständigen OPCW-Bericht auf Englisch.

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Reaktionen auf den OPCW-Bericht
 

Bundesaußenminister Heiko Maas äußerte sich wie folgt zur Veröffentlichung des OPCW-Berichtes:

[...] Der Bericht stellt klar fest, dass diese Angriffe von Luftwaffeneinheiten des syrischen Regimes begangen wurden. [...] Die völkerrechtswidrigen Einsätze von Chemiewaffen in Syrien verurteilen wir auf das Schärfste. Ein so eklatanter Völkerrechtsbruch darf nicht ungestraft bleiben. Es ist jetzt an der internationalen Staatengemeinschaft, umgehend zu reagieren und dafür zu sorgen, dass die Verantwortlichen zur Rechenschaft gezogen werden. Die Bundesregierung wird sich hierfür im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen und bei der OVCW mit Nachdruck einsetzen. [...]

Hier geht es zur Pressemitteilung von Bundesaußenminister Heiko Maas vom 8. April 2020.


Karin Leukefeld merkte Folgendes zum OPCW-Bericht an:

[...] Ehemalige und aktive Mitarbeiter der OPCW berichten dagegen, dass Untersuchungen von angeblichen Chemiewaffeneinsätzen in Syrien nicht unabhängig durchgeführt würden. Innerhalb der Organisation gebe es eine ausschließlich für Syrien gegründete Struktur, die vom Technischen Sekretariat (TS) intransparent kontrolliert werde. Ein Bericht über den angeblichen Chemiewaffeneinsatz in Duma im April 2018 sei vom TS so sehr umgeschrieben worden, dass er schließlich "das komplette Gegenteil" der Untersuchungen der eingesetzten Inspektoren wiedergab. Einer dieser Inspektoren, Ian Henderson, hat auf einer Sondersitzung vor dem UN-Sicherheitsrat im Februar 2020 ausführlich Zeugnis darüber abgelegt. [...]

Hier geht es zum vollständigen Artikel von Karin Leukefeld in der jungen Welt vom 17. April 2020.