Erklärung zur humanitären Hilfe in Syrien: Hunger darf nicht als Waffe benutzt werden

ICRC

 

Erklärung der Kampagne „MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien“ zur humanitären Hilfe

Hunger darf nicht als Waffe benutzt werden

Nach den Zerstörungen des Krieges, unter dem Druck der unilateralen Sanktionen und angesichts der aktuellen Lage mit zerrissenen Strukturen und einer Pandemie ist humanitäre Hilfe für Syrien dringend erforderlich. Diese muss unparteiisch sein, sich an den Bedürfnissen der Menschen orientieren und nicht an einer politischen Agenda. Die Hilfe muss sowohl den Menschen in Nordost-Syrien und Idlib zugutekommen als auch der Mehrheit der Bevölkerung, die in den westlichen Landesteilen unter Regierungskontrolle lebt. Gleiches gilt für die Hilfe beim Wiederaufbau.

Neben karitativ-humanitärer Hilfe muss aber den Menschen in Syrien vor allem die Chance gegeben werden, ihr Leben und ihre Gesellschaft wiederaufzubauen und in ihre Heimat zurückzukehren, wenn sie es wünschen. Voraussetzung dafür ist die Aufhebung der unilateralen Sanktionen gegen Syrien sowie Hilfe beim Wiederaufbau ohne politisch motivierte Vorbedingungen.

Wir fordern die Bundesregierung auf:

  • das Angebot des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz (IKRK) zur Organisation von humanitärer Hilfe für alle Menschen in Syrien umgehend anzunehmen, das Rote Kreuz materiell in die Lage zu versetzen, die angebotenen Maßnahmen vollumfänglich durchzuführen und auf europäischer und internationaler Ebene dafür zu werben, dass andere Staaten diesem Beispiel folgen.
  • die US-amerikanischen Caesar-Sanktionen zu verurteilen und Maßnahmen zu ergreifen, um ihre Folgen für die syrische Bevölkerung und die Menschen in der Region nach Kräften zu lindern.
  • sich auf europäischer Ebene für ein sofortiges Ende der EU-Sanktionen gegen Syrien einzusetzen und diese notfalls auf nationaler Basis auszusetzen.
  • zusammen mit dem Parlament den Bundeswehreinsatz in Syrien und dem Irak umgehend zu beenden und den sofortigen Ausstieg Deutschlands aus der Operation „Inherent Resolve“ zu erklären, insbesondere da diese tatsächlich nicht mehr der Bekämpfung des sog. Islamischen Staats (IS) sondern anderen politischen Zielen dient.
  • die Außenpolitik der Bundesrepublik Deutschland in Syrien und anderswo unter das Primat der Zivilen Konfliktbearbeitung zu stellen, sich der Präferenz für eine oder mehrere Konfliktparteien zu enthalten, und stattdessen vermittelnd und humanitär aktiv zu werden.

Wir sind überzeugt: Wenn die Menschen Chancen für einen selbstbestimmten Wiederaufbau sehen, können Kampfhandlungen zunehmend beendet werden, die Wirtschaft sich erholen und Versöhnungsprozesse fortschreiten. Verbunden mit einem Ende der militärischen Einmischung und Befeuerung durch externe Akteur*innen wäre ein Ende des Krieges und ein Leben in Frieden denkbar.

Jeder Versuch, humanitäre Hilfe nur bestimmten Regionen zukommen zu lassen, stellt in unseren Augen einen Verstoß gegen die politische Neutralität humanitärer Hilfe dar. Sie sollte in Absprache mit den jeweiligen Behörden geleistet werden und darf nicht als Waffe gegen die Regierung oder eine andere interne Konfliktpartei genutzt werden.

Wir begrüßen ausdrücklich den Vorstoß (1) des Internationalen Komitees vom Roten Kreuz zur Verurteilung der Politisierung humanitärer Hilfe, verbunden mit dem Angebot einer bedingungslosen, wirklich humanitären Unterstützung in Zusammenarbeit mit dem Syrisch-Arabischen Roten Halbmond und anderen Hilfsorganisationen. Hunger darf nicht als Waffe zur Erzwingung einer bestimmten Politik genutzt werden.

Materielle Sicherheit und Bildung sind wichtige Voraussetzungen für Partizipation und Demokratie. Es ist zu akzeptieren, dass Syrien auch mit der Regierung Assad ein Mitglied der Völkergemeinschaft ist. Nur die Menschen in Syrien selbst können tragfähige Lösungen der vielfältigen Probleme erarbeiten und nur sie haben das Recht, über ihre Regierung zu entscheiden.

Zehn Jahre Krieg, Tod, Zerstörung und menschliches Leid in Syrien sind genug.
Dieser Krieg und das durch die Sanktionen verursachte Leid müssen enden.
Macht Frieden!


(1) https://www.icrc.org/en/document/supporting-future-syria-and-region-brussels-iv-conference-30-june-2020 (abgerufen am 14.07.2020)


Die Kampagne "MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien" wird von 25 Organisationen und Gruppen der deutschen Friedensbewegung getragen, darunter die IPPNW, die DFG-VK, das Netzwerk Friedenskooperative, der Versöhnungsbund und pax christi. Mehr Informationen über die Kampagne und die beteiligten Trägerorganisationen finden Sie hier.

Pressefotos zu Ihrer freien Verfügung finden Sie hier.


Pressekontakt:

Kathi Müller (Campaignerin der Kampagne «MACHT FRIEDEN. Zivile Lösungen für Syrien»)
MACHT FRIEDEN. c/o Netzwerk Friedenskooperative, Römerstr. 88, 53111 Bonn
Tel.: 0176 / 47859694
Email: k.mueller@friedenskooperative.de, macht-frieden.de
 
Angelika Wilmen (Pressesprecherin IPPNW, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte in sozialer Verantwortung)
Körtestr. 10, 10967 Berlin,
Tel. 030 / 69807415
Email: wilmen@ippnw.de, www.ippnw.de