Der Bundeswehreinsatz in Syrien – eine Chronologie der Ereignisse und der aktuelle Stand

Die Entscheidung des Deutschen Bundestages, als Reaktion auf die Terroranschläge am 13. November 2015 in Paris die Bundeswehr in den Einsatz nach Syrien zu schicken, war die Initialzündung für unsere Kampagne. Am 05. Dezember 2015 wurde das Mandat erstmals beschlossen, am 10. November schließlich um ein weiteres Jahr verlängert und um den Einsatz von AWACS-Flugzeugen der NATO erweitert. Doch was ist in dieser Zeit geschehen? Die Medien berichten nur sporadisch über den Einsatz und seine Entwicklungen. Deshalb stellen wir euch hier einen Überblick über die letzten knapp zwei Jahre zusammen. Damit ihr – auch und gerade in Gesprächen mit Politiker*innen und Befürworter*innen des Einsatzes – die Fakten zur Hand habt.

  • 13. November 2015: Islamistischer Terroranschlag in Paris. Die Täter werden als französische und belgische Staatsbürger identifiziert.
  • 05. Dezember 2015: Der Deutsche Bundestag beschließt als Reaktion auf die Terroranschläge in Paris das Mandat „Operation Counter Daesh“ und schickt damit deutsche Soldat*innen in den Einsatz gegen den sog. Islamischen Staat nach Syrien. Umfang des Mandats: Sechs Tornado-Aufklärungsflugzeuge, eine Fregatte, bis zu 1.200 Soldat*innen. Kosten: 134 Millionen Euro. Die Fraktion der Linken stimmt geschlossen dagegen, die Fraktion der Grünen mehrheitlich, aus der SPD-Fraktion gibt es mehrere, aus der CDU/CSU-Fraktion einzelne Nein-Stimmen. Der Einsatz ist, wie bei Bundeswehreinsätzen üblich, zunächst auf ein Jahr bis zum 31.12.2016 befristet. Über die Verlängerung des Mandats muss jährlich vom Parlament in einer namentlichen Abstimmung entschieden werden.
  • 08. Januar 2016: Die ersten deutschen Tornados starten vom türkischen Incirlik aus zu Aufklärungsflügen über Syrien.
  • Herbst 2016: Die türkische Regierung verweigert deutschen Bundestagsabgeordneten den Besuch bei den Bundeswehrsoldat*innen in Incirlik. Nur nachdem die Bundesregierung den Druck erhöht, werden einzelne Besuche zugelassen.
  • 10. November 2016: Der Deutsche Bundestag verlängert das Bundeswehrmandat um ein weiteres Jahr und erweitert es bei der Gelegenheit um den Einsatz von deutschen Soldat*innen in den AWACS-Aufklärungsflugzeugen der NATO. Kosten des neuen Mandats: 114,5 Millionen Euro. Vorläufige Dauer: bis zum 31.12.2017. Die Fraktionen der Grünen und der Linken im Bundestag stimmen geschlossen gegen das Mandat, die Nein-Stimmen bei der SPD und der CDU/CSU bleiben konstant.
  • Anfang 2017: Deutsche Soldat*innen werden im türkischen Konya stationiert, um von dort aus an den AWACS-Aufklärungsflügen teilzunehmen. Sie stellen etwa ein Drittel der Besatzungsmitglieder.
  • 19. März 2017: Bei einem US-amerikanischen Luftangriff in der syrischen al-Mansoura werden laut Medienberichten bis zu 33 Zivilist*innen getötet. Die Aufklärungsbilder der Bundeswehr haben bei der Zielauswahl eine Rolle gespielt – welche genau? Das wurde nie umfänglich aufgeklärt.
  • Frühjahr 2017: Aufgrund zunehmender bilateraler Spannungen verweigert die türkische Regierung erneut einen Besuch deutscher Bundestagsabgeordneter im Stützpunkt Incirlik.
  • 21. Juni 2017: Der Deutsche Bundestag beschließt, die Bundeswehr aus Incirlik abzuziehen und stattdessen nach Jordanien zu verlegen.
  • Juli 2017: Auch um die Besuchsrechte deutscher Abgeordneter am Stützpunkt im türkischen Konya, wo die deutsche Besatzung der AWACS-Aufklärungsflugzeuge stationiert ist, gibt es nun Konflikte. Nach einer anfänglichen Weigerung der türkischen Regierung bekommen die Abgeordneten schließlich doch Zugang zu den Soldat*innen. Konya ist ein offizieller NATO-Stützpunkt und unterliegt damit anderen Regeln als der Stützpunkt Incirlik. Ein Abzug aus Konya wird deshalb nicht geplant.
  • Juli/August 2017: Weil der Umzug nach Jordanien mehr Zeit und Ressourcen beansprucht, als ursprünglich geplant, werden die deutschen Tornados vorläufig zurück nach Deutschland auf ihre Heimatstützpunkte Büchel und Jagel verlegt, Der Tornado-Einsatz erfährt damit eine Zwangspause. Zwischenzeitlich wird der Stützpunkt in Jordanien neu aufgebaut und ausgestattet. Mit der jordanischen Regierung gibt es Konflikte darum, ob und wenn ja inwiefern die deutschen Soldat*innen während ihres Einsatzes auf jordanischem Hoheitsgebiet den jordanischen Gesetzen unterworfen sind (Forderung Jordanien) oder Immunität genießen (Forderung Deutschland). – Währenddessen geht der Einsatz der deutschen Soldat*innen in den AWACS-Flugzeugen vom türkischen Konya aus ungehindert weiter.
  • Ausblick September/Oktober 2017: Die deutschen Tornados werden peu à peu nach Jordanien verlegt, von wo aus sie ab Oktober wieder Richtung Syrien starten werden.
  • Ausblick November/Dezember 2017: Die nächste Abstimmung zur Verlängerung des Einsatzes der Bundeswehr in Syrien steht an. Der Termin der Abstimmung steht noch nicht fest. Er wird erst nach der parlamentarischen Sommerpause bekannt gegeben.

 

Dies sind die Fakten. Zur politischen Einordnung und zur aktuellen Lages des Einsatzes hier noch einige Einschätzungen unsererseits:

  • Das Mandat wurde im Dezember 2015, nur drei Wochen nach den Anschlägen in Paris, erteilt. Und obwohl die Attentäter keine Syrer waren, sondern belgische und französische Staatsbürger, die in Europa lebten und größtenteils auch aufgewachsen waren, beschloss man als unmittelbare Reaktion auf die Anschläge, den Terrorismus mit einem Militäreinsatz in Syrien zu bekämpfen. Die Bündnissolidarität zu Frankreich war dabei eines der ausschlaggebendsten Argumente. Ob ein bewaffneter Militäreinsatz tatsächlich dazu beitragen kann, den Terrorismus zu bekämpfen, oder ob er ihn nicht im Gegenteil weiter befeuert, wurde in der breiten Öffentlichkeit nur am Rande diskutiert. Wir halten das Mandat für völkerrechtlich und verfassungsrechtlich bedenklich, politisch unklug, militärisch sinnlos und in Bezug auf sein Mandatsziel – die Bekämpfung des Terrorismus – eindeutig kontraproduktiv.
  • Die Tatsache, dass die internationale "Anti-IS-Koalition" von Juli bis Oktober 2017 - während des Umzugs nach Jordanien - mehrere Monate lang offenbar gut auf die Aufklärungsbilder der deutschen Tornados verzichten kann, spricht nicht gerade für die militärische Notwendigkeit dieses Einsatzes. Viele Expert*innen halten ihn sowieso für mehr symbolisch als notwendig. Darf man jedoch für einen rein symbolischen Einsatz das Leben von Menschen gefährden - sowohl das der eigenen Soldat*innen als auch das der syrischen Bevölkerung? Selbst Befürworter*innen von Bundeswehreinsätzen sollten hier stutzig werden.
  • Der ressourcenintensive Aufbau des neuen Bundeswehr-Stützpunkts in Jordanien deutet darauf hin, dass sich die Bundeswehr auf einen längeren Einsatz in der Region vorbereitet. Ob dieser Einsatz auf Syrien beschränkt bleibt oder langfristig auch auf andere Staaten ausgeweitet werden soll, ist derzeit noch nicht abzusehen, kann aber nicht ausgeschlossen werden.